Mit KI schneller zu besseren Photovoltaik-Materialien

13. Dezember 2024

Perowskit-Solarzellen gelten als flexible und nachhaltige Alternative zu herkömmlichen Solarzellen auf Silizium-Basis. Forschende fanden nun innerhalb weniger Wochen neue organische Moleküle, mit denen sich der Wirkungsgrad von Perowskit-Solarzellen steigern lässt. Zu dem internationalen Team gehören auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Helmholtz-Instituts Erlangen-Nürnberg für Erneuerbare Energien (HI ERN), einer Außenstelle des Forschungszentrums Jülich. Die Wissenschaftler kombinierten dabei geschickt den Einsatz von KI mit vollautomatischer Hochdurchsatz-Synthese. Die entwickelte Strategie ist auf andere Bereiche der Materialforschung übertragbar, etwa auf die Suche nach neuen Batteriematerialien. Die Ergebnisse der Forschungsarbeit wurden im renommierten Fachjournal Science veröffentlicht.

Wer unter einer Millionen Molekülen jene herausfinden will, die als Leiter positiver Ladung Perowskit-Solarzellen besonders effizient machen, muss diese Million Moleküle herstellen und testen – oder so vorgehen, wie es Forschende rund um Tenure-Track-Professor Pascal Friederich vom Institut für Nanotechnologie des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und Professor Christoph Brabec vom HI ERN getan haben. „Mit nur 150 gezielten Experimenten konnte ein Durchbruch erzielt werden, der sonst Hunderttausende von Tests erfordert hätte. Der entwickelte Workflow eröffnet neue Möglichkeiten für die schnelle und kosteneffiziente Entdeckung leistungsstarker Materialien in einer Vielzahl von Anwendungsfeldern“, so Brabec. Mit einem der so entdeckten Materialien steigerten sie den Wirkungsgrad einer Referenz-Solarzelle um rund 2 Prozent auf 26,2 Prozent. „Dieser Erfolg zeigt, dass man bei der Entwicklung neuer Energiematerialien mit einer geschickten Strategie enorm Zeit und Ressourcen einsparen kann“, sagt Friederich.

Ausgangspunkt am HI ERN war eine Datenbank mit den Strukturformeln von rund einer Million virtueller Moleküle, die aus handelsüblichen Substanzen herstellbar wären. Von 13.000 dieser virtuellen Moleküle, nach dem Zufallsprinzip ausgelesen, berechneten die Forschenden am KIT mit etablierten quantenmechanischen Methoden Energieniveaus, Polarität, Geometrie und andere Merkmale.

KI-Training mit Daten von nur 101 Molekülen

Aus diesen 13.000 Molekülen wählten die Forschenden wiederum 101 Moleküle aus, die sich in ihren Merkmalen möglichst stark unterschieden. Diese wurden am HI ERN mit Hilfe eines Robotersystems automatisch hergestellt und damit ansonsten baugleiche Solarzellen gefertigt. Anschließend maßen sie deren Wirkungsgrad. „Für den Erfolg unserer Strategie war entscheidend, dass wir dank unserer hochautomatisierten Syntheseplattform wirklich vergleichbare Proben erzeugten und somit verlässliche Werte für den Wirkungsgrad ermittelten“, sagt Christoph Brabec, der die Arbeiten am HI ERN leitete.

Mit den erzielten Wirkungsgraden und den Merkmalen der zugehörigen Moleküle trainierten die Forschenden des KIT ein KI-Modell. Das Modell schlug dann weitere 48 Moleküle zur Synthese vor, basierend auf zwei Kriterien: ein erwartender hoher Wirkungsgrad und unvorhersehbare Eigenschaften. „Wenn sich das Machine-Learning-Modell bei der Prognose des Wirkungsgrades unsicher ist, lohnt es sich, das Molekül herzustellen, um es näher zu untersuchen“, erklärt Pascal Friederich das zweite Kriterium. „Es könnte mit einem hohen Wirkungsgrad überraschen.“

Tatsächlich ließen sich mit den von der KI vorgeschlagenen Molekülen überdurchschnittlich effiziente Solarzellen bauen, darunter auch solche, die modernste andere Materialien übertreffen. „Wir können nicht sicher sein, wirklich das Beste unter einer Million Moleküle gefunden zu haben, aber wir sind ganz gewiss nahe am Optimum“, sagt Friederich.

KI versus chemische Intuition

Die Forschenden können die Molekülvorschläge der KI in gewissem Ausmaß nachvollziehen, da die verwendete KI angibt, welche Merkmale der virtuellen Moleküle für ihre Vorschläge ausschlaggebend waren. Es zeigte sich, dass sich die KI-Vorschläge teilweise auch auf Merkmale stützten, die Chemiker bisher weniger beachtet hatten, zum Beispiel das Vorhandensein bestimmter chemischer Gruppen wie Amine.

Christoph Brabec und Pascal Friederich sind überzeugt, dass ihre Strategie vielversprechend für die Materialforschung auch in anderen Anwendungsbereichen ist oder auf die Optimierung ganzer Bauelemente ausgeweitet werden kann.

Die Forschungsergebnisse, die in Zusammenarbeit mit Forschenden der Universität Erlangen-Nürnberg, des südkoreanischen Ulsan National Institute of Science, der chinesischen Xiamen University und der University of Electronic Science and Technology in Chengdu, China, entstanden sind, wurden kürzlich im renommierten Journal „Science“ veröffentlicht.

Dr. Jianchang Wu (HI ERN) über den geschickten Einsatz von KI mit vollautomatischer Hochdurchsatz-Synthese.
(Video auf Youtube in englisch, Dauer: 1:48 Min.)
Copyright: Kurt Fuchs/HI ERN

Originalpublikation

Jianchang Wu, Luca Torresi, ManMan Hu, Patrick Reiser, Jiyun Zhang, Juan S. Rocha-Ortiz, Luyao Wang, Zhiqiang Xie, Kaicheng Zhang, Byung-wook Park, Anastasia Barabash, Yicheng Zhao, Junsheng Luo, Yunuo Wang, Larry Lüer, Lin-Long Deng, Jens A. Hauch, Dirk M. Guldi, M. Eugenia Pérez-Ojeda, Sang Il Seok, Pascal Friederich, Christoph J. Brabec: Inverse design of molecular hole-transporting semiconductors tailored for perovskite solar cells. Science, 2024. DOI 10.1126/science.ads0901.

Das HI ERN

Das Helmholtz-Institut Erlangen-Nürnberg für Erneuerbare Energien (HI ERN) erforscht und entwickelt material- und prozessbasierte Lösungen für eine klimaneutrale, nachhaltige und kostengünstige Nutzbarmachung erneuerbarer Energien. Thematische Schwerpunkte des Instituts sind die Erforschung der elektrochemischen Energieumwandlung zur Entwicklung innovativer Wasserstofftechnologien sowie solare Technologien.

Das HI ERN bildet das Kernstück einer engen Partnerschaft zwischen dem Forschungszentrum Jülich, dem Helmholtz Zentrum Berlin für Materialien und Energie und der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg. Ziel der Kooperation ist es, die exzellente Material-, Energie- und Prozessforschung der Partnerinstitutionen eng zu verknüpfen. Die Zusammenarbeit der Partner bezieht sich auf die Bereiche innovative Materialien und Prozesse für photovoltaische Energiesysteme und Wasserstoff als Speicher- und Trägermedium für CO2-neutral erzeugte Energie. Das HI ERN leistet durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit einen wichtigen Beitrag zur Energiewende (mehr).

Kontakt

Prof. Christoph Brabec

Director and Head of Research Department High Throughput Methods in Photovoltaics

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