Nanochemie: Entdeckung molekularer Zwischenprodukte und nichtklassischer Mechanismen in der Nanopartikelbildung
7. Oktober 2024 – Klassische Nukleationstheorien bilden die komplexe Realität der Nanochemie nur begrenzt ab. Das demonstrieren Forschende des HI ERN und der University of Maryland (USA) in ihrer aktuellen Arbeit. Alternativ schlagen sie einen reaktionsbegrenzten Nukleationsmechanismus vor. Der Artikel wurde kürzlich im Journal „Small Structures“ veröffentlicht.
Metallische Nanopartikel werden häufig als heterogene Katalysatoren, Elektrokatalysatoren und in optischen Materialien eingesetzt. Ihre funktionellen Eigenschaften ergeben sich aus ihrer Oberflächen- und Atomstruktur, Zusammensetzung und Form. Während die kolloidale Synthesemethode in der Praxis relativ einfach ist, gibt die zugrunde liegende Nanochemie den Forschenden immer noch Rätsel auf und fasziniert sie gleichzeitig.
Die Bildung von Metallnanopartikeln wird im Allgemeinen durch Massentransport- und thermodynamische Modelle wie diffusionsbegrenztes Wachstum und die klassische Nukleationstheorie beschrieben. Allerdings werden in der Regel Metallmonomere als Vorstufen angenommen, so dass die Identität der molekularen Zwischenprodukte und ihr Beitrag zur Bildung von Nanopartikeln unklar bleiben.
Forschende des HI ERN, der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, der University of Maryland (USA) und der University of Washington (USA) setzen Flüssigphasen-Transmissionselektronenmikroskopie (LPTEM) und reaktionskinetische Modellierung ein, um die Nukleations- und Wachstumsmechanismen zu bestimmen und molekulare Zwischenprodukte während der Bildung von Silbernanopartikeln zu identifizieren. LPTEM ermöglicht hierbei eine besondere Reaktionskontrolle, weil der Elektronenstrahl die Reaktionsbedingungen direkt beeinflussen kann. Quantitative LPTEM-Messungen zeigen, dass die Nukleationsrate abnimmt, während die Wachstumsrate nahezu unabhängig von der Elektronendosisrate ist. Reaktionskinetische Simulationen zeigen, dass die Konzentrationen von Ag4 Clustern und Ag- Ionen mit experimentell ermittelten Wachstumsraten korrelieren.
Das Team um Andreas Hutzler (HI ERN) demonstrierte in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe um Prof. Taylor Woehl (University of Maryland, USA), dass Nukleation und Wachstum sich nicht mit der klassischen Nukleationstheorie beschreiben lässt. Stattdessen schlagen die Wissenschaftler:innen einen reaktionsbegrenzten Nukleationsmechanismus vor, der die Partikelbildung durch die Aggregation von Ag42+-Clustern beschreibt. Eine Reaktionsdurchsatzanalyse des komplexen Reaktionsnetzwerks aus 200 beteiligten, chemischen Reaktionen hat relevante Bildungs- und Zerfallspfade aufgezeigt, die Zwischenkonzentrationen vermitteln und dadurch erheblich zum Verständnis der Reaktionsbedingungen beiträgt.
Mit ihrer gemeinsamen Arbeit konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler demonstrieren, wie sich LPTEM in Kombination mit kinetischen Simulationen kombinieren lässt, um quantitative Aussagen zur Identifizierung von Nanopartikelbildungsmechanismen und der wichtigsten Zwischenprodukte zu treffen. Zudem verdeutlichen die Ergebnisse, dass klassische Nukleationstheorien nicht ohne Weiteres die komplexe Realität in der Nanochemie abbilden - eine Erkenntnis, die erheblichen Einfluss auf das Verständnis von Nanokatalysatoren und deren Syntheseansätze haben könnte.
Die Ergebnisse wurden kürzlich im renommierten Journal „Small Structures“ veröffentlicht.
Original-Publikation
Jiayue Sun, Birk Fritsch (shared), Andreas Körner, Mehran Taherkhani, Chiwoo Park, Mei Wang, Andreas Hutzler, Taylor J. Woehl
Discovery of Molecular Intermediates and Nonclassical Nanoparticle Formation Mechanisms by Liquid Phase Electron Microscopy and Reaction Throughput Analysis
Small Structures, 2400146, https://doi.org/10.1002/sstr.202400146
Kontakt
Dr.-Ing. Birk Fritsch
Postdoctoral Researcher
Raum 4009
Dr.-Ing. Andreas Hutzler
Team leader "Nanoanalysis of Electrochemical Processes"
Raum 4009