Die Folgen des PV-Booms: Studie des HI ERN untersucht Recycling-Strategien für Solarmodule
Die Folgen des PV-Booms: Studie des HI ERN untersucht Recycling-Strategien für Solarmodule
Erlangen, 7. März 2024 - Die Photovoltaik oder kurz PV ist eine wichtige Säule der Energiewende. Doch deren zu erwartende rapide Ausbau bindet große Mengen an Ressourcen. Zirkuläre Recycling-Strategien sind nötig, um in Zukunft Abfallströme zu vermeiden, die in der Größenordnung des heutigen weltweiten Elektroschrotts liegen. Zu diesem Ergebnis kommen Forschende des HI ERN in einer Studie in der renommierten Fachzeitschrift Joule.
Die Energiewende schreitet voran und die Photovoltaik (PV) spielt dabei eine entscheidende Rolle. In den nächsten Jahrzehnten sollen enorme Kapazitäten zugebaut werden. Experten erwarten mehrere 10-Terawatt bis zur Mitte des Jahrhunderts. Auf jeden Menschen kommen dann rechnerisch 10 bis 25 Solarmodule. Der Boom sorgt für saubere, grüne Energie. Doch das Wachstum hat auch seine Schattenseiten.
So werden bis zum Jahr 2050 mehrere Millionen Tonnen Abfall aus Altmodulen erwartet – und das nur auf den europäischen Markt bezogen. Denn auch wenn die heutigen PV-Module auf eine möglichst lange Haltbarkeit ausgelegt sind, landen diese am Ende ihres Lebens auf der Müllhalde und mit ihnen teils wertvolle Materialien.
„Kreislaufwirtschaftliches Recycling in der Photovoltaik wird entscheidend sein, um Abfallströme in einer Größenordnung zu vermeiden, die in etwa dem heutigen weltweiten Elektroschrott entspricht“, erklärt der Physiker Dr. Marius Peters vom Helmholtz-Institut Erlangen-Nürnberg für Erneuerbare Energien (HI ERN), einer Außenstelle des Forschungszentrums Jülich.
Heutige Solarmodule sind dafür nur begrenzt geeignet. Grund ist der integrierte – also nur kaum trennbare – Aufbau der Module, der Voraussetzung für deren lange Haltbarkeit ist. Auch wenn Recycling in der Europäischen Union vorgeschrieben ist, lassen sich PV-Module daher nur schwer zirkulär wiederverwenden.
Wie wichtig es für das rasante Wachstum der PV-Industrie ist, diese Materialien zu recyclen, zeigt die aktuelle Studie von Dr. Ian Marius Peters, Dr. Jens Hauch und Prof. Christoph Brabec aus dem HI ERN. „Unsere Vision ist es, dass wir weg von einem Design für die Ewigkeit hin zu einem Design für den ewigen Kreislauf kommen.“, bekräftigt Physiker Dr. Ian Marius Peters „Damit machen wir erneuerbare Energie so nachhaltig, wie keine Energietechnologie zuvor.“
Nicht für die Ewigkeit, sondern für einen ewigen Kreislauf
Der am besten geeignete Markt, um die Menge an recyceltem Material aufzunehmen, wird demnach die Herstellung von PV-Modulen selbst sein. Nur in diesem Sektor ist der Bedarf in einigen Fällen groß genug. „Auch ohne zirkuläres Recycling ist Solarenergie nachhaltig“, betont Dr. Ian Marius Peters. „Zirkuläres Recycling bietet jedoch die Chance, eine echte Kreislaufwirtschaft aufzubauen und auch hier zum Vorreiter einer Kultur der Nachhaltigkeit zu werden.“
„Auch ohne zirkuläres Recycling ist Solarenergie nachhaltig. Zirkuläres Recycling bietet jedoch die Chance, eine echte Kreislaufwirtschaft aufzubauen und auch hier zum Vorreiter einer Kultur der Nachhaltigkeit zu werden.“
Dr. Ian Marius Peters (HI ERN)
Doch wie kann Recycling wirklich zirkulär werden? Die Studie des HI ERN zeigt hier einen Weg zu einer nachhaltigeren und wirtschaftlich tragfähigen Zukunft für die PV-Industrie auf: Im ersten Schritt müssen Solarmodule für den ewigen Kreislauf entworfen werden. Die eingesetzten Materialien müssen einfacher und sauberer zu trennen sein. Die verbauten Werkstoffe müssen zudem besser dokumentiert und charakterisiert werden. Schlussendlich wird der Erfolg des Recyclings in hohem Maße davon abhängen, wie wirtschaftlich es umgesetzt werden kann.
Eigentlich besteht keine Materialknappheit. Für den enormen Ausbau der Photovoltaik sind ausreichend Ressourcen vorhanden. Doch die benötigten Mengen sind gewaltig. Ein gutes Material-Management ist daher für den rapiden Ausbau vorteilhaft.
So macht beispielsweise Glas bis zu 75% der Masse eines Solarmodules aus. Solarglas kann mit etablierten Prozessen zurückgewonnen werden, jedoch nur in minderer Qualität, so dass es nicht für die Produktion neuer Module bereitsteht. Das ist bei der geringen Menge an Modulen, die heute recycelt werden, kein Problem. Das ändert sich jedoch voraussichtlich ab Mitte bis Ende der 2030er Jahre, wenn jährlich Millionen Tonnen an ausgedientem Solarglas anfallen. „Keine Anwendung benötigt eine solche Menge an altem Glas. Nur durch zirkuläres Recycling kann verhindert werden, dass dieses Glas als Abfall endet“, erklärt Ian Marius Peters. Eine zirkuläre Verwendung stärkt zudem auch die wirtschaftliche Stellung der Solarindustrie.
Ein anderes Beispiel: Die Verwendung bestimmter Polymere steht unter anderem in Konkurrenz zur Schuhindustrie. Die vorhandenen Produktionskapazitäten sind hier begrenzt. Durch zirkuläres Recycling können die Kapazitäten schneller ausgebaut und Engpässe bei der Produktion vermieden werden. Darüber hinaus ermöglicht zirkuläres Recycling auch die Rückgewinnung wertvoller Materialien.
Die Solarindustrie beanspruchte außerdem 2020 bereits 12,7 % der jährlichen Silberproduktion. Zukünftige Module werden und müssen ohne Silber auskommen. Doch bis es soweit ist, werden tausende Tonnen Silber in Modulen verbaut werden. Zirkuläres Recycling ermöglicht es, diesen Schatz zu heben und verfügbar zu machen. Silber findet vielfältig Verwendung, es ist begrenzt verfügbar und damit eine kostbare Ressource.